Ich bin Deutsch! – Matthias

Dieses Gespräch habe ich mit Matthias in einem sehr leckeren, original koreanischen Restaurant in der Karlsruher Innenstadt geführt.

Matthias ist in Stuttgart geboren und wohnt in Karlsruhe in einer WG. Er ist sehr oft in Stuttgart bei seinen Freunden und fliegt auch regelmäßig in die Heimat seiner Eltern nach Südkorea.
Matthias hat die deutsche Staatsangehörigkeit im Alter von acht Jahren bekommen, als seine Eltern sich haben einbürgern lassen.

Bild: Ich bin Deutsch! - Matthias

Martin: Matthias, zuerst muss du mir mal erklären, woher der erste Teil „hirsl“ in deiner E-Mail-Adresse kommt.
Matthias: Das ist schnell erzählt (lacht). Als Kind war ich in Bayern in Urlaub. Schon nach kurzer Zeit wurde ich vom Besitzer unserer Ferienwohnung nicht mehr „Matthias“ oder „Matze“, sondern „Hirsl“ gerufen. Hirsl heißt Matze auf bayrisch. Vielleicht bin ich doch deutscher als ich dachte (lacht wieder).

Martin: Was ist denn für dich typisch Deutsch?
Matthias: Hm, das ist schwierig zu sagen. Ich bin im Schwäbischen geboren und aufgewachsen, daher würde ich sagen „das Sparen“ und „Planen“. Oder auch eine Unterscheidung zwischen „Meins“ und „Meins“. Typisch Deutsch ist auch, dass alles was man tut immer einen Sinn haben muss. Dazu möchte ich dir eine Geschichte erzählen:
„Einmal war ich mit meinen Freunden unterwegs ins Kino. Einer meiner Freunde hatte den Film, auf den wir uns eigentlich geeinigt hatten, schon gesehen. Die Folge war, er wollte natürlich nicht mehr in diesen Film, sondern nur in einen anderen. Er meinte, es mache keinen Sinn, einen Film zweimal anzusehen.“
In der koreanischen Erziehung hat das Zusammensein, die Unternehmungen mit Freunden einen viel höheren Stellenwert als in Deutschland. Daher ist mir ein solches Verhalten fremd, ich kann das nicht recht verstehen.
Ich selbst sehe mich als „Third Culture Kid“ mit allen Vorteilen, aber auch Nachteilen die das Switchen zwischen zwei Kulturen so mit sich bringt.

Bild: Ich bin Deutsch! - Matthias

Martin: Wann hast du zum ersten Mal bemerkt, dass du vielleicht anders aussiehst?
Matthias: Zum ersten Mal ist mir das im Kindergarten aufgefallen. Die anderen Kinder haben bei sich immer Schlitzaugen gezogen und „Ching-Chang-Chong“ gesungen.

Martin: Hast du schon Negatives, rassistisch geprägte Erfahrungen aufgrund deines Aussehens, deiner Hautfarbe erfahren?
Matthias: Nein, außer den Erfahrungen im Kindergarten noch nie. Dort wo ich in Stuttgart aufgewachsen bin, gab es sehr viele andere Menschen mit Migrationshintergrund. Dort sahen die meisten einfach „anders“ aus. Vielleicht liegt das aber daran, dass man mit asiatisch aussehenden Menschen die Begriffe „fleißig“ und vielleicht auch „Kung-Fu“ verbindet. Auch während der Schule, dem Studium oder der Suche nach einem Arbeitsplatz hatte ich keinerlei Nachteile aufgrund meines Aussehens erfahren.

Martin: Verknüpfst du mit der Teilnahme an meinem Projekt Erwartungen? Wenn ja welche?
Matthias: Ja, ich möchte ein Verständnis fördern. Man kann doch gleich sein und doch anders (aussehen). Menschen sollten nicht nach ihrem Aussehen bewertet werden, sondern nach dem wer oder was sie sind.

Martin: Vielen Dank für dein Vertrauen, für das Gespräch und die Teilnahme an meinem Projekt.

Matthias: Wer bist du?

Selbstverfasstes von Matthias zu einer sehr persönlichen Frage.

Wer bin ich?
Mein Name ist Matthias Hong, ich bin in Stuttgart, Deutschland, geboren und ich bin 27 Jahre alt. Ich habe International Management an der Hochschule Karlsruhe für Technik und Wirtschaft studiert und arbeite derzeit in Karlsruhe.
Weiß man jetzt, wer ich bin? Die Frage nach der Identität ist für mich in erster Linie keine Frage des Geburtsorts, dem Aussehen, den Lebensumständen oder des Namens – das sind für mich lediglich Indizien. Für mich ist die Frage nach der Identität eine Frage nach der Heimat, aber auch eine Frage der Selbstdefinition. In meinem Fall, ist es jedoch schwer gerade diese Fragen zu beantworten.

Äußerlich sehe ich koreanisch aus, spreche die Sprache aber nicht so gut – zumindest ist mein Englisch und mein Deutsch besser. Äußerlich lebe ich in Deutschland und werde dort auch akzeptiert und integriert, aber die Denk- und Verhaltensweisen in Deutschland sind doch deutlich verschieden. Mein Vorname ist Matthias, mein Nachname Hong. Das hat schon viele Menschen sehr verwirrt. Auch als ich in Korea ein Auslandssemester abgelegen wollte und dafür ein Visum beantragen musste, wurde dies ziemlich deutlich. Mein Aufenthaltstitel lautete: 외국국적동포 국내거소신고증. „Aufenthaltstitel eines Mitbürgers mit Wohnsitz im Inland, der einen ausländischen Pass hat.“

Dieser Aufenthaltstitel sagt so alles und nichts aus. Ein ewiger Wanderer zwischen Welten und Kulturen zu sein, mag ‚cool‘ klingen, aber nicht zu wissen, woher man wirklich kommt und wer man wirklich ist, ist ein schwerwiegendes Problem. Wenn man anders aussieht und eventuell auch anders ist, wird man oft darauf angesprochen und man fängt an, selbst darüber nachzudenken. „Woher komme ich wirklich?“, „Was brauche ich?“, „Was möchte ich?“, „Wo sind meine Schwächen, wo sind meine Stärken?“ und schließlich „Was definiert mich?“.

Die Antworten auf diese Fragen habe ich in Gott und in der Bibel gefunden. Ich muss feststellen, dass je mehr ich Gott kennenlerne, desto mehr lerne ich mich selbst kennen. Er ist wie ein Spiegel, der mich einfach so abbildet, wie ich wirklich bin. Ein Spiegel, der wie so oft, erst einmal jede Macke und jede Schwäche zeigt, beim genaueren Hinsehen aber auch das Liebenswerte, das Schöne und das Bewundernswerte wiedergibt – sowohl äußerlich, als auch innerlich. Und Gott definiert mich als „Kind Gottes“. Das gibt mir einen Rahmen, in dem ich „ich“ sein kann. Teils „deutsch“, teils „koreanisch“, teils beides zusammen, teils nichts von alledem. Es gibt mir die Freiheit nicht in Kategorien zu denken, sondern die Person unter dem aufgedrückten Stempel zu sehen. Gleichzeitig erinnert er mich aber auch daran, dass die Charakterschule nie aufhört und das Akzeptieren und Anerkennen von etwas fremden immer wieder eine neue persönliche Entscheidung ist.

Ich bin bei Gott zuhause. Ich bin so akzeptiert, wie ich bin und ich bin unendlich geliebt.